Kapitel E

Freizeit und Sport

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Kapitel E

Freizeit und Sport

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Resümee

Verfasst 2016: IHS

Aktualisiert 2021: ZSI

Die Definition, was unter Freizeit zu verstehen ist, fällt in der wissenschaftlichen Literatur sehr unterschiedlich aus. Häufig überwiegt dabei ein Zugang, der Freizeit in Abgrenzung zur Erwerbsarbeit erfasst. Dieses Verständnis hat sich jedoch in den letzten Jahren, v.a. in soziologischen Untersuchungen, stark gewandelt. Freizeit wird nunmehr als Zeit erfasst, die für Freizeitaktivitäten verwendet wird und mit bestimmten Funktionen, wie Wohlgefühl, Lebensqualität oder Regeneration, in Verbindung steht (vgl. bspw. Brake 2003). Die Erfassung von Freizeit stellt jedoch nach wie vor eine Herausforderung dar, da Freizeitaktivitäten oft nicht eindeutig von anderen Tätigkeiten abgrenzbar sind und parallel zu anderen Tätigkeiten erfolgen (z.B. Zeitunglesen auf dem Arbeitsweg, eigene Aktivitäten und Begleitaktivitäten von anderen Personen). Deutlich wird dies vor allem bei Müttern, wenn bspw. Familienfreizeit auf dem Spielplatz o.Ä. mit persönlicher Freizeit gleichgesetzt wird (vgl. bspw. Opaschowski 2008). Im Rahmen von Zeitverwendungserhebungen (vgl. bspw. Statistik Austria 2009) kann daher von einer Eigenüberschätzung des Freizeitausmaßes von Frauen ausgegangen werden, da Frauen viele Freizeitangebote im Rahmen der Kinderbetreuung nutzen, diese jedoch der persönlichen Freizeit zuordnen.

Mehrfachbelastung durch bezahlte und unbezahlte Arbeit lässt Frauen weiterhin weniger Freizeit

Das Freizeitverhalten der Wienerinnen ist immer noch wesentlich von traditionellen Rollenbildern geprägt, indem Frauen weiterhin für das Gros der unbezahlten Arbeit verantwortlich sind, während gleichzeitig ihre zeitliche Belastung durch die zunehmende Erwerbsbeteiligung steigt (siehe Indikator D1 und Indikator D6). Dies führt dazu, dass Frauen nach wie vor weniger Freizeit als Männer aufweisen (siehe Indikator E1). Laut Frauenbarometer 2015 haben erwerbstätige Frauen mit Kindern am wenigsten Zeit zu ihrer freien Verfügung. Wienerinnen mit Migrationshintergrund Drittstaat weisen im Vergleich zu anderen Frauengruppen das geringste Freizeitausmaß auf, was darauf zurückzuführen ist, dass sie häufiger in Haushalten mit mehreren Kindern leben und meist alleine für unbezahlte Arbeit zuständig sind. 

Finanzielle Ressourcen bestimmen Teilhabemöglichkeiten an Freizeitaktivitäten

Für eine Vielzahl von Freizeitaktivitäten stellt nicht nur die Verfügbarkeit über zeitliche, sondern auch die Verfügbarkeit über finanzielle Ressourcen eine zentrale Zugangsbarriere dar. Freizeitaktivitäten werden meist danach unterschieden, ob sie kommerziell oder nicht kommerziell genutzt werden (vgl. bspw. Bork et al. 2015). Jedoch ist der Zugang auch für kostenfreie Angebote eingeschränkt, bspw., wenn Anschaffungen zur Ausübung der jeweiligen Aktivitäten notwendig sind (z.B. Sportbekleidung). Auch im Frauenbarometer 2015 zeigte sich, dass höhere Einkommens- und Bildungsschichten vermehrt Freizeitangebote nutzen und Sport ausüben. Ein geringes Einkommen schränkt zudem soziale Teilhabemöglichkeiten ein: Während rund die Hälfte aller nicht armutsgefährdeten Wienerinnen mit ihren Sozialkontakten in der Freizeit sehr zufrieden ist, betrifft dies lediglich rund ein Drittel aller armutsgefährdeten Wienerinnen. Da Frauen generell im Schnitt ein niedrigeres Einkommen aufweisen (siehe Indikator G1), kann angenommen werden, dass sie stärker von Einschränkungen dieser Art betroffen sind und neben zeitlichen auch finanzielle Belastungen die Freizeitaktivitäten einschränken.

Wenig Unterschied bei Freizeitaktivitäten, jedoch weitere Beharrlichkeit bei der geschlechtsspezifischen Fächerwahl der Musikschule Wien

In Hinblick auf die Verwendung der Freizeit zeigen sich auf den ersten Blick kaum geschlechtsspezifische Unterschiede. Die häufigsten Freizeitaktivitäten bilden sowohl bei Frauen als auch Männern das Fernsehen, Zeitunglesen und Spazierengehen (vgl. Statistik Austria 2009). Jedoch unterscheiden sich Frauen und Männer innerhalb der einzelnen Freizeitaktivitäten. Frauen besuchen deutlich öfter als Männer Kurse an Volkshochschulen oder die städtischen Bibliotheken, und Mädchen stellen die Mehrheit der Schüler*innen der Musikschule Wien. Unter Schüler*innen der Musikschule Wien zeigte sich im Laufe der Erhebungsdauer eine Angleichung der Interessen. So ist Klavier bei beiden Geschlechtern ähnlich beliebt (20% der Mädchen und 18% der Buben). Nennenswerte geschlechtsspezifische Abweichungen zeigen sich im Interesse am Gesang (16% der Mädchen, 10% der Buben) und an der Blockflöte (10% der Mädchen, 5% der Buben); ebenfalls ist die Präferenz für z.B. das Schlagzeug, Schlagwerk oder Trompete eher unter Buben ausgeprägt (3%-4%), unter Mädchen hingegen kaum.

Frauen leisten den Großteil unbezahlter und gemeinnütziger Arbeit, sind in Leitungsfunktionen von Freizeitvereinen jedoch weiterhin stark unterrepräsentiert

Trotz eines generell hohen Engagements von Frauen in gemeinnütziger Arbeit (siehe Indikator B.7) sind Frauen in Leitungsfunktionen in Vereinen und Verbänden, die Freizeitaktivitäten organisieren, nach wie vor unterrepräsentiert. Zwar ist in Vorständen jener Vereine, die von der MA 13 gefördert werden, im Schnitt nahezu jedes zweite Mitglied eine Frau. Allerdings findet sich der Frauenanteil in 46% der Vereine unter 50%. Der Frauenanteil in Verbänden für Senior*innen liegt bei 45%, doch auch hier sind Frauen nicht entsprechend ihrem Anteil an der Wohnbevölkerung im Pensionsalter vertreten (siehe Indikator A1). Am niedrigsten zeigt sich die Präsenz von Frauen in Sportverbänden. Allerdings hat sich seit 2013 der Frauenanteil kontinuierlich erhöht und liegt aktuell bei 35%.

Frauen sind v.a. während der Familienphase seltener gesundheitsfördernd körperlich aktiv

Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich aber nicht nur in der Nutzung konkreter Freizeitangebote, sondern auch in der sportlichen Aktivität von Frauen und Männern. Ergebnisse der Gesundheitsbefragung belegen, dass Frauen nach wie vor in geringerem Ausmaß sportlich aktiv sind als Männer. Das Fehlen regelmäßiger körperlicher Aktivität gilt als einer der zentralen gesundheitlichen Risikofaktoren (siehe Indikator L1). Bestehende Zugangsbarrieren sind daher auch im Zusammenhang mit gesundheitspolitischen Zielsetzungen relevant. Die HEPA-Empfehlung der WHO sieht als gesundheitsfördernde Maßnahme 150 Minuten moderate oder intensive Bewegung pro Woche vor. In Wien halten sich 35% der Frauen und 42% der Männer an diese Empfehlung.

Andauerndes Ungleichgewicht für Frauen bei der individuellen Fördervergabe im Sport

Deutlicher als bei körperlich gesundheitsfördernden Aktivitäten unterscheiden sich Frauen und Männer beim Zugang zum Profisport. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass unter Wiener*innen, die von der Sporthilfe gefördert werden, nur 21% Frauen zu finden sind, - dieser Anteil ist gegenüber 2016 um 2%-Punkte gestiegen. Diese unterschiedliche Präsenz von Frauen und Männern wird durch mannigfache Faktoren beeinflusst, wie strukturelle Zugangsbarrieren (z.B. sind einige Disziplinen bei offiziellen Wettkämpfen ausschließlich Frauen bzw. Männern vorbehalten), eine geschlechtsspezifische Sozialisation (z.B. werden Mädchen weniger ermutigt, an Wettkämpfen teilzunehmen) oder eine unterschiedliche Förderung von Mädchen und Buben im Sportunterricht (vgl. Hartmann-Tews/Rulofs 2004, Dorer 2007). Diese unterschiedlichen Realitäten werden durch die Medienberichterstattung im Sport außerdem verstärkt. Im Journalismus dominieren Männer, und damit erhält auch die Berichterstattung über Männersportarten Vorrang (siehe Indikator F8).

Schlussfolgerungen zu den Gleichstellungszielen für Freizeit und Sport

Frauen haben durch die ungleiche Verteilung von unbezahlter Arbeit nach wie vor weniger Zeit zu ihrer freien Verfügung. Besonders betroffen sind Frauen, die Erwerbstätigkeit und Kinder vereinen müssen. In Hinblick auf die geschlechtergerechte Gestaltung von Freizeitangeboten und -infrastruktur gibt es keine systematisch erhobenen Daten in Wien und Österreich. Die Frage, ob die Vergabe von Fördermitteln an Freizeitvereine Frauen und Männern gleichermaßen zugutekommt kann zum Teil durch die Gender Kriterien bei der Fördermittelvergabe beantwortet werden. Die Zuständigkeit für Vereins- und Verbandsförderung in Wien im Bereich Sport (etwa zur Erhaltung von Sportanlagen) liegt bei der MA 51. Seit 2014 wird in den Subventionsansuchen von den Fördernehmer*innen angegeben, wie hoch der jeweilige Mädchen- und Frauenanteil ist. Diese Angabe fließt in die Bewertung der Förderungswürdigkeit ein. Neben der Ungleichverteilung von unbezahlter Arbeit sind auch finanziell bedingte Zugangshürden ausschlaggebend, von denen Frauen durch ein generell niedrigeres Durchschnittseinkommen stärker betroffen sind. Die stärkere Partizipation von Frauen in Leitungsfunktionen von Freizeitvereinen kann zur stärkeren Berücksichtigung von Gender-Kriterien bei der Vergabe von Förderungen sowie bei der Schaffung von Infrastruktur und der Gestaltung von Rahmenbedingungen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen von Frauen und Männern gerecht werden, förderlich sein. Jedoch sind Frauen in den Leitungsfunktionen, v.a. im Bereich Sport, nach wie vor stark unterrepräsentiert.